Grosser Rat Bern

Alterspolitische Themen in der Herbstsession 2021

 

Ältere Menschen betreffende Themen in der Herbstsession waren der Bericht zum Umbruch der Spitallandschaft im Kanton Bern, die Motionen «Überbrückungsabgeltung der Betreuungsleistungen bei Menschen mit schwerer Demenz», «Fachkräftemangel bei HF Pflege Ausbildung».

 

 

Der wirtschaftliche Druck auf die Spitäler in der Schweiz nimmt seit der Revision des Bundesgesetzes (2012) über die Krankenversicherung (KVG) und der angepassten Spitalfinanzierung und dem nationalen Tarifsystem (DRG, TAR MED…) kontinuierlich zu. Viele Spitäler können die empfohlenen Mindestwerte für die nachhaltige Führung eines Spitals nicht mehr erbringen. Dies und weitere Fragen, wie die optimale Versorgungsstruktur (Spitaldichte, Art des Angebots, ect.) der Fachkräftemangel sowie das Bedürfnis, die Aufsicht über die kantonseigenen Spitäler bestmöglichst wahrzunehmen, haben zu diesem Vorstoss der Geschäftsprüfungskommission (GPK) geführt. Der Grosse Rat hat mit der angenommenen Motion dem Regierungsrat den Auftrag erteilt, in einem Bericht die finanziellen Chancen und Risiken der Berner Spitallandschaft detailliert darzulegen. Für den Kanton ergeben sich finanzielle Chancen und Risiken aus der gesetzlichen Verpflichtung zur Sicherstellung der Spitalversorgung in Bezug auf alle Leistungserbringer und aus der Eigenrolle bei den öffentlich getragenen Spitälern. Der Spitalbericht wurde durch externe Experten verfasst und wird als Grundlagepapier einer Gesamtschau erachtet. Daraus werden verschiedene Teilstrategien erarbeitet.

 

 

Erkenntnisse:

  1. Die dynamischen Entwicklungen im Gesundheitswesen führen zu unterschiedlichen Auswirkungen der beteiligten Akteure. Durch den zunehmenden Preis- und Margendruck, den Wettbewerb, Fachkräftemangel, die demografische Entwicklung und die zunehmende Digitalisierung sind alle betroffenen Akteure gefordert.
  2. Die Zunahme der Multimorbidität aufgrund der Alterung der Bevölkerung sowie das Bevölkerungswachstum erhöhen den Schweregrad und die Nachfrage der medizinischen Behandlung. Im Vergleich zur Gesamtschweiz weist die Berner Bevölkerung einen überproportionalen Anstieg der älteren Bevölkerung auf. Mit der zunehmenden Alterung der Bevölkerung nimmt die Multimorbidität (Mehrfacherkrankungen) sowie der Anteil der chronisch erkrankten Menschen stark zu. Dadurch entsteht ein erhöhter Präventions- und Versorgungsbedarf. Einer integrierten Versorgung kommt immer mehr Bedeutung zu. Die Nachfrage nach Rehabilitationsbehandlungen, sowie psychiatrische und psychosomatische Betreuung werden aufgrund der zunehmend multimorbiden Krankheitsbilder weiter steigen.
  3. Die wohnortsnahe Grundversorgung ist aufgrund der geografischen Gegebenheiten im Kanton Bern zentral für die Qualität der Versorgung der Bevölkerung.
  4. Die Profitabilität der Berner Spitalunternehmen ist aktuell nicht ausreichend, um Investitionen langfristig eigenständig finanzieren zu können.
  5. Die Erreichung einer bedarfsorientierten Versorgungssteuerung wird mit einem 4 statt 6 Regionenmodell aufgrund der grösseren und effizienteren Versorgungsregionen vereinfacht.
  6. Ein klares, durch den Kanton vorgegebenes Zielbild für die Weiterentwicklung der Bernern Gesundheitsversorgung mit stärkeren Netzwerkstrukturen gibt den Spitälern Leitplanken für die Ausgestaltung im Rahmen ihrer unternehmerischen Freiheiten. Kooperationen und Vernetzungen innerhalb der neu zusammengeschlossenen Versorgungsregionen sollen genutzt werden. Neue Spitalmodelle bieten Chancen für die Grundversorgung. Die Versorgung in Netzwerken mit unterschiedlichen Leistungserbringern wird dabei in Zukunft weiter an Wichtigkeit gewinnen.
    Die finanzielle Ausgangslage (Eigenkapital) der öffentlichen Spitäler ist aktuell robust. Unternehmerische Risiken und anstehende Grossinvestitionen können die Spitäler in finanziell schwierige Situationen bringen und zu einem Verzehr der Eigenmittel indirekt einer Vernichtung öffentlicher Mittel führen.

Der Bericht wird mit verschiedenen Planungserklärungen einstimmig vom Grossen Rat zu Kenntnis genommen.

 

 

 

Gegen die Meinung des Regierungsrates wird die Motion «Überbrückungsabgeltung der Betreuungsleistungen bei Menschen mit schwerer Demenz, um ein bedarfsgerechtes Angebot sicherzustellen» (Speiser, SVP) vom Rat angenommen. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat eine Übergangsfrist bis Ende 2023 anberaumt, bis der Artikel 8b KLV ab 2024 wirksam sein wird. Bis dahin muss laut dem Entscheid des Rates nun eine Übergangslösung, beziehungsweise Übergangsfinanzierung geleistet werden.

 

 

«Fachkräftemangel bei der HF-Pflege-Ausbildung: jetzt braucht es einen zusätzlichen Schub». Hier verlangen die Motionär*innen (Herren, Mitte / Striffeler, SP) Förderbeiträge für bis zu 25 Spätberufene / Quereinsteiger. Obwohl der Regierungsrat die aktuelle Situation als weniger alarmierend erachtet, wird die Motion mit 111 Stimmen überwiesen.

 

 

Münsingen, 26.10.2021                  Elisabeth Striffeler